Ich bin in den Wechseljahren – ja, auch in dem Sinne, den du jetzt sofort denkst, doch vielmehr mag ich wechseln, vom unnötigen Konsum, der die Erde nachweislich belastet hin zu einem überschaubaren Lebensumfeld. Sich räumlich und dinglich zu verkleinern ist das Eine, doch das mit der Technik ist gar nicht so leicht!

 

Den Wunsch nach einem Wechsel teile ich mit immer mehr Menschen, und tatsächlich sind die meisten, die in einem Minihaus oder Tiny House leben wollen, jenseits der 50 Lebensjahre angekommen. Gräbt man sich dann in die Wunschvorstellungen hinein wie so ein Leben und damit das Tinyhaus aussehen soll, tauchen Bilderbuchbilder von der urigen, Kaminlodernden Berghütte oder dem bunten Zirkuswagen auf, doch gleichzeitig wollen wir es nachhaltig und ökologisch und bitteschön mit neuester komfortabler Technik haben. Und genau da fängt die Krux an!

Low Tech versus High Tech

Wir alle wissen, dass sich der Klimawandel vollzieht und wir sind uns bewusst, dass kein Weg an einer Kehrtwende unseres Lebensstils vorbeiführt. Was vor wenigen Dekaden noch als Spinnerei von Ökos und als Ideologie diskreditiert wurde, ist heute in der Gesellschaft angekommen: wir müssen Ressourcen schonen, Energie sparen und Emissionen drastisch reduzieren. Gleichzeitig werden Utopien realisiert, die dem Ganzen zuwiderlaufen. Allein der Gedanke, dass in absehbarer Zeit schon Tausende Satelliten im Orbit für die Luftübertragung von immensen Datenmengen z.B. zur Steuerung von Logistikflotten auf der Erde auch Tausende von Rechenzentren benötigen, lässt mich schaudern. Das Spiel der Menschheit mit dem Fortschritt lebt vom Kitzel des Machbaren und dem technikverliebten Heilsversprechen großer Konzerne. Und für den Privatbereich gibt es als Marketingfutter Hochglanzbroschüren von Smarten Tiny Houses mit jeder Menge technischem Schnickschnack. Neulich las ich von einem Smarten Tiny Haus. Ist es wirklich das, was wir wollen? Das, was sich im „großen“ Lebensstil einer reichen Gesellschaft abzeichnet, einfach in das „kleine“ Leben transponieren? Ehrlich gesagt, ich will das nicht. Ich will in meinem übersichtlichen Tinyhaus doch einfach leben!

Die EnEV-Rechnung

Doch leider kommen mir meinem Wunsch nach minimaler effektiver Haustechnik mit regenerativen Energieträgern und niedrigen Investitionskosten für ein überschaubares, am besten autarkes, System die bestehenden Anforderungen der Bürokratie in die Quere. Zwar ist zumindest in Bayern für die bauliche Kleinhülle keine Genehmigung verpflichtend, doch wird meine reduktionistische – und damit heute eigentlich fortschrittliche – Lebensweise durch die mathematischen Nachweisformeln des verordneten energetischen Nachweises für das Gebäude bestraft. Das Problem ist zum Beispiel, dass das Verhältnis von Fensterflächen zu Wandflächen bei einer lichtdurchfluteten Kubatur zu ungünstigeren Wärmedurchlässigkeitswerten führt. Die Stellschraube des Gebäudeenergiengesetzes ist und bleibt die Vermeidung von Wärmeverlust. Dadurch werden relativ zur Größe des Gebäudes große Dämmstärken benötigt. Baut man nicht auf Rädern, bekommt man das noch hin, wenn die Haustechnik entsprechend aller Komponenten ähnlich eines Passivhaussstandards oder zumindest KfW-Effizienzhaus-Standards realisiert werden. Doch das heißt: ich muss für diesen hohen technischen Standard eine hohe Summe Geld ausgeben und Raum zur Verfügung stellen. Steht das im Verhältnis? Amortisiert sich die Investition in meinem Alter noch? Nein! Nachdem ich ein ganzes Jahr lang meinen dinglichen Ballast teilweise unter Tränen abgeworfen habe, soll ich jetzt stattdessen eine Armada an High-Anlagen-Technik installieren?

Effizienz versus Suffizienz

Ich frage mich, ob wir hier bei aller gewünschter Effizienz nicht wieder etwas Entscheidendes übersehen. Was die Welt braucht, ist endlich das Weniger: weniger Technik, weniger Produkte, weniger an schummelnden Versprechungen. Natürlich müssen Emissionen drastisch reduziert werden, aber doch nicht für den Preis einer hochtechnologisierten Haustechnik! Wie können wir auch da die Kirche im Dorf lassen? Auf der einen Seite stilisieren wir unser Leben durch immer mehr Digitalisierung und Effizienzsteigerung in einen von Technik vollkommen abhängigen Lebenswandel und auf der anderen Seite sehnen wir uns nach Entschleunigung und digital Detox.

Christof Drexel, Experte in Sachen klimaschützender Gebäudetechnik und Energieversorgung meint dazu:

„Als Antwort auf einen überbordenden Technikaufwand ist das Schlagwort Suffiziente Gebäudetechnik entstanden. Das klingt vielleicht ein wenig nach Verzicht, Bescheidenheit oder sogar Askese. Suffizient, also gerade ausreichend, soll aber nicht das Ergebnis sein, sondern die Technik.“

Und er sieht auch:

„Anstelle des Maximums suchen wir das Optimum, das in vielen Bereichen längst überschritten wurde. Das immer mehr wird immer weniger gewünscht.“

Doch ist eine suffiziente Gebäudetechnik bei einem Tiny House möglich? Für mich als Baubiologin steht schon immer das Ganzheitliche im Mittelpunkt. Das bedeutet, dass es jenseits aller technisch-messbaren Werte auch weitere Komponenten gibt, auf die wir Menschen reagieren. Eine auf das geringe Ausmaß eines Tiny Hauses abgestimmte Haustechnik sollte daher durch das kluge und vor allem ganzheitliche Abwägen aller Komponenten entstehen. Hier ist Pionierarbeit durch ein ganzheitliches Konzept dringend erforderlich. Welche Komponenten sollten mit bedacht werden?

  • Das Sinnesorgan Haut reagiert auch auf Reflexionswellen. So empfinden wir eine durch Lehmputz behandelte Wandoberfläche wärmer als eine mit Gipsputz versehene Oberfläche.

  • Menschen und Tiere mögen weder hermetisch abgeschlossene Räume, noch Luftbewegungen, die auf Dauer immer gleichmässig auf uns einwirken.

  • Lichtfarben haben Einfluss auf unser Temperaturempfinden. Daher ist ein abgestimmtes Farbkonzept sinnvoll.

  • Das natürliche Feuerspiel eines Kamins beeinflusst unser Wärmeempfinden.

  • Menschen fühlen sich entspannter und sicherer, wenn sie die Technik beherrschen können und nicht von der Technik beherrscht werden.

Wer schreibt?

Foto von Ilka Mutschelknaus, Innenarchitektin und Baubiologin (IBN)

Ilka Mutschelknaus ist Innenarchitektin und Baubiologin IBN. Nachdem sie 10 Jahre lang sachverständige Beratung zu "erkrankten" Häusern durchführte, steckt sie jetzt ihr Herzblut in die Beratung für baubiologische Tiny Häuser mit der Vision, dass dadurch gesundes und bezahlbares Wohnen für Alle möglich werden kann. Sie lebt und wirkt in Schongau, das liegt im malerischen Pfaffenwinkel. Mehr über Ilka

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Ilka Mutschelknaus ist Innenarchitektin und Baubiologin IBN. Nachdem sie 10 Jahre lang sachverständige Beratung zu "erkrankten" Häusern durchführte, steckt sie jetzt ihr Herzblut in die Beratung für baubiologische Tiny Häuser mit der Vision, dass dadurch gesundes und bezahlbares Wohnen für Alle möglich werden kann. Sie lebt und wirkt in Schongau, das liegt im malerischen Pfaffenwinkel. Mehr über Ilka