Was haben eine Baubiologin, die zu einem Schimmelbefall gerufen wird, eine OP-Schwester und ein Taxifahrer in Corona-Zeiten gemeinsam? Genau – sie tragen aus gutem Grund eine Maske!

Zugegeben, auch ich kann die Wörter „Maske“ und „Hygiene“ schon fast nicht mehr hören, aber bei einem großen Schimmelbefall in der Wohnung sollte man sich schützen, um die in der Luft befindlichen biogenen Keime und Partikel nicht einzuatmen. Warum das so ist und in welchen Fällen – hier erfährst du die Basics zu Schimmel und wann Handlungsbedarf besteht.

Unterscheidung Schimmelbefall – Kontamination

Immer wieder erlebe ich es in meinen Beratungen, dass die Bedeutung eines Schimmelbefalls falsch eingeordnet wird. Da wird eine komplett verschimmelte Rückwand eines Schrankes, die nach dem Auszug der von Asthma geplagten Tochter sichtbar wurde, als „kleiner Befall“ deklariert oder der auf der Unterseite großflächig verschimmelte Teppichboden im Musikraum des Kellers wird als „Stockfleckenproblem“ beschrieben. Andere wiederum sprechen panisch von „alles kontaminiert!“, wenn die schwarzen Stellen in der Duschverfugung nicht mehr weg gehen.

Was heißt eigentlich „Schimmelbefall“ und wann spricht man von einer „Kontamination“?

Von einem Befall redet man, wenn sich bestimmte Schimmelbildende Mikroorganismen auf der Oberfläche oder innerhalb eines Materials vermehren. Das, was wir sehen, ist also ein Schimmelbefall an Material. Der Befall jedoch verursacht im weiteren Verlauf eine Kontamination, indem er sich gasförmig und über Sporenpartikel ausbreitet und dabei sowohl die Luft anreichert wie auch andere Oberflächen befällt.

Der Nährboden für Schimmel

Der Schimmelorganismus benötigt für sein Wachstum Feuchtigkeit und ein bestimmtes organisches Milieu. Das Organische kann im Material selbst sein (wie z.B. Zellstoffhaltige Tapete) oder durch Verschmutzungen angesetzt sein (wie z.B. in den Duschkabinenrändern). Daher ist Schimmel in Innenräumen so oft ein Problem: es gibt jede Menge Feuchtequellen und häufig vergisst man im Alltagsstress die Staubhygiene.

Der komplexe Schimmelorganismus

Damit sich der an einer Stelle angewachsene Schimmel ausbreiten kann, bildet er massenhaft Sporenträger mit gefärbten Sporen. Erst ab einer gewissen Größe wird der bis dahin mikroskopisch winzige Schimmelorganismus für uns an der Oberfläche makroskopisch sichtbar. Wir erkennen dann schwarze, graue, braune, rosafarbene oder grünliche Flecken.

Das heißt also: das, was wir sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs! Das Geflecht aus Sporenträgern und Myzel hat bereits ein vielfältiges organisches Entwicklungsstadium an der Tapete, der Schrankrückwand oder Matratze gebildet. Das Vertrackte ist also einerseits, dass Schimmel so mikroskopisch klein ist, dass er erst in bereits vorangeschrittenem Befall für uns sichtbar wird.

Im Myzel selber befinden sich zudem Zellbestandteile mit Inhaltsstoffen, die in Stoffwechselprozessen Abbauprodukte, sogenannte Metaboliten bilden. Diese sind flüchtig gasförmig und können je nach Pilzart Mykotoxine, also giftige „Pilzgase“ bilden. Diese werden auch als MVOC bezeichnet und können bei länger anhaltendem Wachstum sehr unangenehm werden.

Darüber hinaus geht mit dem Schimmelbefall eine bunte heterogene Lebensgemeinschaft einher. Es gibt Bakterien, die durch ihr Erscheinungsbild auch Strahlenpilze genannt werden, sog. Aktinomyzeten oder korrekt gesagt Aktinobakterien. Auch diese sind hygrophil, also feuchtigkeitsliebend.
Außerdem lieben besonders einzellige Pilze wie Hefen ein feuchtes Milieu. Hefen bilden keine Myzele, also zusammenhängende Geflechte aus, sondern vermehren sich über eine Art Sprossenbildung. Besonders gerne entstehen Hefepilze neben Schimmelpilzen in ungesäuberten Teilen von Waschmaschinen, Spülmaschinen oder anderen Geräten mit Nässestau.
Zu dieser bereits artenreichen Besiedelung gesellen sich dann im weiteren Verlauf gerne Milben, die sich – neben den bekannten Hautschuppen – den Schimmel als Nahrungsquelle suchen. Für Allergiker sind dann nicht nur die eingeatmeten Schimmelsporen eine Reizquelle, sondern auch die erhöhte Belastung der Luft durch vermehrten Milbenkot an den Luftpartikeln.

Gesundheitliche Wirkungen

Die Gesamtbelastung des Emissionsgemischs von Sporenpartikeln, Zellfragmenten und eventuell mykotoxinen Gasen hat neben der Geruchsbelästigung in der Raumluft und auch am Material langfristig mehr oder weniger gesundheitliche Folgen.

Wie oben erwähnt, sind Allergiker von den Reizwirkungen besonders betroffen, wenn ein Befall ein größeres Ausmaß angenommen hat. Weitere gesundheitliche Kennzeichen sind u.a.:

  • Hauptwirkung sind allergische Reizungen, speziell der Atemwege, Nasennebenhöhlen, Augen und Haut.
  • Asthmatische Beschwerden verschlimmern sich.
  • Mykotoxine haben verstärkende Wirkungen (z.B. über Kopfschmerzen).
  • Immungeschwächte Menschen haben ein erhöhtes allgemeines Infektionsrisiko.
  • Ältere Menschen und Kleinkinder sind besonders anfällig!

Großer oder kleiner Schimmelbefall?

Die Expansionsmöglichkeit des Schimmels ist vielfältig und er tut das massenhaft, so lange das Milieu aus Feuchtigkeit und organischem Material zum Wachstum besteht. Ist er einmal in größerem Ausmaß aufgetreten, dann heißt es besonders gründlich zu sein, willst du wirklich Ruhe vom Schimmel haben. Denn neben dem sichtbaren Befall bedeutet es dann auch, die Kontamination zu reduzieren.

Zur Orientierung, ob es sich um ein leichtes und daher nicht so bedenkliches Schimmelproblem handelt, hat das Umweltbundesamt eine Größenordnung vorgegeben, an die sich auch alle Schimmelexperten anlehnen, um zu beurteilen, wie ernstzunehmend ein Befall ist und welche Maßnahmen durchzuführen sind.

Im Leitfaden des Umweltbundesamtes wird angegeben:

  • Einen sichtbaren Befall bis 0,5 m² kann man selbst entfernen.
  • Ist der Befall größer als 0,5 m², muss eine Fachfirma kommen!

Doch Achtung: gibt es bereits mehrere Stellen in der Wohnung muss man diese addieren!

Was du tun kannst, wenn es sich um einen kleinen Schimmelbefall – z.B. in der Wandecke oder in der Dusche – handelt, erkläre ich in dem Beitrag „Schimmel adé!“.

Schimmelhygiene und Maske

Wenn man einmal verstanden hat, welche Lebensbedingungen Schimmel braucht und wie komplex die Lebensumstände von Schimmel sind, dann ist schon viel gewonnen. Überall da, wo Feuchtigkeitsstau entsteht, sollte man wachsamen Auges sein und für Trockenheit sorgen! Wohnst du in einem älteren Haus, das kühle ungedämmte Außenwände hat, dann schau immer mal wieder hinter die Kulissen von z.B. Schränken, Betten und von im Keller gelagerten Gegenständen. Entdeckst du chronische Feuchtestellen (z.B. Kondensationsbildung an Fenstern), solltest du Rat holen.

Und so komme ich wieder auf die Maske zurück. Hast du tatsächlich einen größeren Schimmelbefall – siehe oben – dann setze sicherheitshalber eine FFP2-Maske auf, wenn du den betroffenen Raum betrittst. Dies ist deine Erste-Hilfe-Schutzmaßnahme bei einem größeren Schimmelbefall! Hole dann die „Schimmelambulanz“, indem du einen Experten zu Rate ziehst. Wichtig ist auch, dass du als Mieter immer einen Befall beim Eigentümer melden solltest, wenn er so groß ist, dass du ihn nicht mehr selbst entfernen solltest – siehe oben.

Schimmelexperten

Experten können sich viele nennen. Doch es gibt gerade auch in den Bereichen Schimmelbegutachtung und Schimmelbeseitigung viele „Amateure“, die keine umfassenden Lehrgänge besucht haben.

Profis wie zertifizierte Baubiologen, die ein größeres Schimmelproblem nachhaltig, ohne giftige chemische Keule und vor allem sachverständig im Einzelfall beurteilen, findest du beim Berufsverband Deutscher Baubiologen VDB und beim Bundesverband Schimmelpilzssanierung e.V..

Wenn du unsicher bist, wie dein Schimmelproblem einzuschätzen ist, kannst du mich gerne kontaktieren.

„Wenn er nun das Mal besieht und findet, daß an der Wand des Hauses grünliche oder rötliche Grüblein sind und ihr Ansehen tiefer denn sonst die Wand ist, so soll er aus dem Hause zur Tür herausgehen und das Haus sieben Tage verschließen.“

Altes Testament, Levitikus 14, 33-4

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Wer schreibt?

Foto von Ilka Mutschelknaus, Innenarchitektin und Baubiologin (IBN)

Ilka Mutschelknaus ist Innenarchitektin und Baubiologin IBN. Nachdem sie 10 Jahre lang sachverständige Beratung zu "erkrankten" Häusern durchführte, steckt sie jetzt ihr Herzblut in die Beratung für baubiologische Tiny Häuser mit der Vision, dass dadurch gesundes und bezahlbares Wohnen für Alle möglich werden kann. Sie lebt und wirkt in Schongau, das liegt im malerischen Pfaffenwinkel. Mehr über Ilka

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Ilka Mutschelknaus ist Innenarchitektin und Baubiologin IBN. Nachdem sie 10 Jahre lang sachverständige Beratung zu "erkrankten" Häusern durchführte, steckt sie jetzt ihr Herzblut in die Beratung für baubiologische Tiny Häuser mit der Vision, dass dadurch gesundes und bezahlbares Wohnen für Alle möglich werden kann. Sie lebt und wirkt in Schongau, das liegt im malerischen Pfaffenwinkel. Mehr über Ilka